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Alles nur Opfer


By Geier - Posted on 27 November 2009

27. November 2009

 

Heckenschütze vor Hecke

 

 

Heute ist es genau zwei Jahre her, daß Hazem Mohammed Khalil aus Jabalya im Gazastreifen seinen Schußverletzungen erlegen ist. Dabei war er, wie die Märtyrergalerie der Hamas in holprigem Englisch zu berichten weiß, doch so ein netter Junge! Ein richtiger Sonnenschein, immer ein Lächeln auf den Lippen, nett und höflich zu seinen Eltern. Man sehe sich nur einmal das Photo dieses Philantropen an, dessen fröhliches Lächeln dummerweise gerade halb vom Magazin verdeckt ist. Jeder hat sich gefreut, ihn zu sehen, außer vielleicht die bösen Zionisten, die er auch schon mal aus Hinterhalten überfallen hat — sicher, wir erinnern uns, wie immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Aber die zählen nicht, denn das sind ja nur Juden. Die haben ihn aber auch nicht erschossen. Vielmehr hat der als »disziplinierter Soldat« der Hamas beschriebene Hazem wohl nicht genug Disziplin gehabt, seine Waffe vor dem Reinigen auf Restmunition zu untersuchen, und so hat er sich halt beim Gewehrputzen selbst erschossen. Hatte ich hier irgendwo schon einmal Psalm 37 citiert? Ach ja, ich hatte.

Trotz der wenig heroischen Umstände: Den Märtyrerstatus, der mit viel Prestige und — nicht zu vergessen — 72 Jungfrauen (oder wenigstens einem Teller Obst) im Paradies verbunden ist, spricht ihm die Hamas dennoch zu. Schließlich war er immer ein treuer Kämpfer gegen die »zionistische Besatzung« und die »kriegerischen Besatzungstruppen«. Moment mal: Haben die Israelis den Gazastreifen nicht schon 2005 geräumt? Hat dort nicht die Hamas die volle Kontrolle? Gegen was für eine Besatzung hätte man dort noch 2007 mit solch einem ziemlich dicken automatischen Drachentöter kämpfen können? Na ja, vielleicht wollte er mit dem Gerät ja auch nur auf Kaninchenjagd gehen. Jetzt können sich die Karnickel jedenfalls etwas sicherer fühlen, der arme Hazem ist ja den bösen Zionisten zum Opfer gefallen. Irgendwie.

Kleines, aber aufschlußreiches Detail am Rande: Hazem, der auf der Hamas-Seite einerseits für seine Hinterhalte (ambush) gegen Israelis gelobt wird, hat auch als Polizist in Gaza auf der Gehaltsliste der Hamas gestanden (und vielleicht ist der Gegenstand auf dem Bild ja auch nur eine Art Polizeirevolver in palästinensischer Sonderausführung). Wenn im Nahostkonflikt aber palästinensische Polizisten ums Leben kommen, gehen diese als getötete Civilisten in die Statistik ein, da diese unter civilisierten Nationen (also denen, die hernach die Statistiken erstellen) grundsätzlich nicht als Combattanten zählen. Daß es da im Nahen Osten — sagen wir mal höflich — personelle Überschneidungen zwischen Terroristen und Polizisten gibt, beeindruckt wiederum die westlichen Statistiker wenig, die häufig gern mit möglichst hohen civilen Opferzahlen aufwarten, weil sich die Presse so darüber freut.

Ganz neu ist das alles nicht. So beschwerte sich schon am 21. November 1938 die Berliner Zeitung »Der Morgen«, die einerseits auf Seite 1 fröhlich mit der »schnellen Überführung der jüdischen Geschäfte in deutsche Hände« aufmacht, andererseits auf Seite 2 über die »britischen Unterdrückungsmethoden« in »Palästina« gegen die armen Araber, die doch tatsächlich in Untersuchungshaft genommen (»eingekerkert«) wurden, wenn sie sich dem »Freiheitskampf«, (will meinen: terroristischen Anschlägen gegen Briten oder Juden) widmeten. Einer wurde gar durch Schüsse verletzt, als er versuchte, eine Postenkette zu durchbrechen. Nein, diese britischen Mordbuben aber auch! In Haifa haben sie »einen Araber zu lebenslänglichem Gefängnis verdammt, ohne daß ihn eine andere Schuld als die Liebe zu seinem Volk und seiner Heimat getroffen hätte«. Ja, so ist das. Da ist nun so ein armer Araber, der Tag für Tag fleißig seiner Arbeit nachgeht, hingebungsvoll seine Waffe wienert, abends todmüde ins Bett fällt und in stiller Demut Weiber, Kinder, Volk und Heimat liebt, bis plötzlich die Schergen Britanniens kommen und ihn zu lebenslänglicher Haft verurteilen.

Nun ist es nicht sonderlich verwunderlich, wenn man solche Märtyrergeschichten auf Hamas-Netzseiten (wo man z. B. auch die stolze Bemerkung lesen kann, daß man keinesfalls mit dem »zionistischen Gebilde« verhandeln würde) oder in alten Nazi-Zeitungen findet; freilich hat sich diese Art der Umdeutung von Ursache und Wirkung längst auch in der »seriösen« Presse unserer Tage ausgebreitet. Wenn heute der Kampf von David gegen Goliath stattgefunden hätte, würden morgen wohl auch die deutschen Zeitungen lamentieren über den bösen zionistischen kriegsfreiwilligen Scharfschützen Ben Isai, der unter eiskalter Ausnutzung seiner technologischen Überlegenheit mittels einer unkonventionellen Distanzwaffe einen armen philistinensischen Freiheitskämpfer kaltblütig und feige ermordet habe, gerade nachdem dieser in einer Rundfunkansprache israelischen Militärangehörigen gegenüber ein faires Dialogangebot für einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten unterbreitet hatte (1. Sam. 17, 44). Und im schwedischen »Aftonbladet« könnte Donald Boström mal wieder einen Fall von zionistischem Organraub aufdecken (1. Sam. 17, 51). Ein paar Wochen später würde vielleicht bekannt, daß einer grünen oder sonstwie linken Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die anläßlich der Einweihung der aus Mitteln eines Hilfsfonds der Europäischen Union gebauten »Märtyrer-Goliath-Grundschule« nach Dschabaliya reisen wollte, um »ein Zeichen für die Solidarität aller friedliebenden Deutschen mit dem vom zionistischen Besatzerregime unterdrückten philistinensischen Volk zu setzen«, vom Innenministerium des Königs Shaul die Einreise in den Gazastreifen verweigert wurde. Ein Sprecher des Kanzleramtes würde auf das schärfste gegen diesen »neuerlichen israelischen Willkürakt gegenüber einer frei gewählten Abgeordneten eines demokratischen Staates« protestieren: »Obwohl das Existenzrecht Israels deutsche Staatsraison sei,« so würde der Sprecher sagen, »gäbe es doch keine Alternative zu einem sofortigen israelischen Siedlungsstop, schon um gemäßigte Kräfte innerhalb der Hamas zu stärken und die Spirale der Gewalt im Nahen Osten zu stoppen«. Oder so ähnlich.

 

 

Nachtrag 25. 5. 12:

Arbeitsunfall: Libanesischer Terrorist sprengt versehentlich sich selbst bei dem Versuch, in Syrien eine Bombe zu legen, als diese vorzeitig explodiert.

 

 

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