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Die Russen kommen! Über Alexander Dubček und Jüngerschaft


By Geier - Posted on 19 Februar 2012

19. Februar 2012

 

Es begab sich aber, daß ich heute vormittag eine Predigt gehört habe. Ein junger Mann hat sich ehrlich gemüht, innerhalb eines (frei)kirchlichen Rahmens so etwas wie Jüngerschaft publik zu machen, unter anderem mit Hilfe des folgenden Films (der — von den wirklich grusligen Heiligenbildern am Schluß abgesehen — in seiner Aussage gar nicht so verkehrt ist*):

 

 

Er hatte wohl verstanden, daß das kirchliche System, in dem er zu Hause ist, nicht so richtig fruchtbar ist, und dachte nun, man könne das jüngerschaftlich ein bißchen aufpeppen. Was er offensichtlich nicht weiß: Kirche kann man nicht mit Jüngerschaft ergänzen, das Prinzip einer klerikal verfaßten Kirche ist mit Jüngerschaft inkompatibel, da Kirche ja gerade das Produkt des religiösen Fleisches ist, welches die jüngerschaftliche Dynamik der ersten Christen erstickt hat. Beide Prinzipien sind buchstäblich wie Feuer und Wasser. Das faulige Wasser des Klerikalismus hat das Feuer der Jüngerschaft zum erlöschen gebracht, und da kann man nun einmal ganz schlecht nachträglich hergehen, sich darüber beschweren, daß das Wasser nicht so richtig wärmen will und versuchen, diesen kirchlichen Löschteich mit ein paar dekorativen Flammen zu garnieren. Da könnte man auch gleich einen Tauchsieder ins Meer halten: Bringt nichts, da muß man kein Prophet sein, um das zu wissen.

Dieser Prediger hat durchaus viel richtiges gesagt, nur kann das in diesem Umfeld nicht wirken. Gut: Jesus hat gesagt: Wenn wir säen, und es fällt ein Teil unter die Dornen und wird erstickt, ein Teil auf das Felsige und kann nicht wurzeln, so wird doch ein Teil auf fruchtbaren Boden fallen und Frucht tragen. Wenn ich das nun aber als Entschuldigung nehme, meinen Sack mit Samen gleich auf einem Felsplateu abzustellen in der naïven Annahme, daß da schon irgendetwas wachsen würde, dann bringt das trotzdem nichts. Sicher, Gott kann Wunder tun. Aber so funktioniert Säen einfach nicht.

Genauso ist das aber, wenn ich versuche, in eine kirchliche Struktur Jüngerschaft einzupfropfen. Wasser brennt nicht. Und wenn nun jemand herumtrickste und etwas Sprit auf die Wasseroberfläche gösse, dann sähe das zwar so aus, als würde Wasser brennen, und er könnte sich als der Mann Gottes verkaufen, der, wenn er schon nicht auf dem Wasser laufen kann, dieses zumindest entflammt hat — aber eben nur sehr kurz. Der Fusel brennt weg, und das Feuer ist schneller aus, als man »Jüngerschaft in der Kirche« sagen kann. Die Leute, die da sitzen und geduldig zuhören, um hinterher so weiterzuleben wie bisher, bezahlen diesen Jungen ja schließlich dafür, daß sie nicht zu viel über geistliche Dinge nachdenken müssen. Sie haben sich aus ihren geistlichen Pflichten herausgekauft. Das ist der Deal, und das sollte man schon wissen, wenn man sich auf so einen Job einläßt: Du servierst uns fromme Häppchen, schön kleingeschnitten und leicht verdaulich, wir bezahlen dich dafür. Es ist eine Art Schweigegeld, nur daß in diesem Fall nicht der Empfänger des Geldes zum Schweigen gebracht wird, sondern der, der es zahlt. Das paßt mit jüngerschaftlichem Christentum so gut zusammen wie Fisch und Fahrrad. Jüngerschaft braucht Mündigkeit, Bezahlchristentum muß Mündigkeit aber um jeden Preis verhindern, weil es sich sonst selbst überflüssig machen würde.

Ein bißchen hat mich der Junge ja an Alexander Dubček erinnert. Der wollte einen »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« schaffen. Tragische Figur. Die Russen haben ihm den Zahn schnell gezogen. »Menschlicher Sozialismus«, das ist ja wirklich wie »jüngerschaftliche Kirche« oder brennendes Wasser. Wie das Leben so ist, wird dieser Prediger früher oder später auch auf seine »Russen« stoßen, die ihm mit dem Panzer zeigen, wo es langgeht — oder aber er wird mit der Zeit selbst zum »Sowjet« werden, zum Funktionär im kirchlichen Getriebe, erfogreich, anerkannt, abgesichert und fruchtlos. Den »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« wird er jedenfalls nicht erleben, genausowenig wie Jüngerschaft innerhalb eines Systems, das Leute für geistliche Dienste bezahlt. Wie Dubček will er zwar das Gute, verhindert es aber gleichzeitig, wie dieser steht er durch das Zeugnis seiner beruflichen Existenz dem Zeugnis seiner Verkündigung im Wege: Genauso wie KP-Funktionäre nie eine humane Gesellschaft geschaffen haben, sind durch Kleriker niemals Gemeindestrukturen aufgebaut worden, die dem Neuen Bund gemäß sind. Immerhin: Dubček ist nach seinem Ausschluß aus der kommunistischen Partei und seiner schrittweisen Entmachtung einer anständigen Arbeit in der Forstverwaltung von Bratislava nachgegangen; nicht ganz freiwillig, obzwar.

Bei Christen sollte es hingegen möglich sein, daß Korrektur auch mal freiwillig, also ohne Gericht funktioniert. Ein Anfang für den Prediger könnte sein, sich eine ehrliche Arbeit zu suchen und selbst Jüngerschaft zu leben.

 

 

 

 

* Einen weiteren schwerwiegenden Fehler in dem Film, den ich zunächst übersehen hatte, hat ein aufmerksamer Leser entdeckt: Etwa bei Minute 1:15 tritt eine Figur im Minirock auf, die mit »Apostel« beschriftet ist.

 

 

 


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