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Schwierigkeiten mit der Wahrheit IV


By Geier - Posted on 27 Dezember 2009

27. Dezember 2009

Wenn Funktionäre in der leninistischen bzw. stalinistischen Sowjetunion in Ungnade fielen, war es oft nicht damit getan, daß sie hingerichtet wurden. Auch die Erinnerung an sie sollte möglichst ausgelöscht werden. Bekanntestes Beispiel ist wohl untenstehendes Bild, das Lenin 1920 bei einer Rede vor Angehörigen der Roten Armee in Moskau zeigt. Rechts am Podest stehen Trotzki und Kamenew. Kamenew wurde 1936 hingerichtet, Trotzki ausgewiesen und 1940 im mexikanischen Exil ermordet. Der physischen Hinrichtung ging die virtuelle voraus: Seit 1927, dem Jahr, da Trotzki aus dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei ausgeschlossen wurde, erscheint das Bild nur noch in einer retouchierten Version, in der Trotzki und Kamenew durch eine Holzstiege ersetzt wurden:


Orwell bezieht sich auf diese Praxis in seinem 1948 geschriebenen Buch »1984«, in dem ein »Wahrheitsministerium« regelmäßig alte Zeitungen der aktuellen Parteilinie anpaßt, indem bestimmte Personen aus alten Artikeln und Bildern entfernt oder auch historische Geschehnisse eliminiert werden. Wer den Film zum Buch gesehen hat, entsinnt sich vielleicht noch, wie umständlich diese Arbeit mit Schere und Klebstoff und dem Ofen, in dem das mißliebige Material schließlich verschwand, vonstatten ging. Wie leicht geht solche Arbeit doch in Zeiten des Internets von der Hand und wie effektiv: Heute kann man mit etwas Fleiß ganze Erdzeitalter auslöschen, wie zum Beispiel das »Mittelalterliche Klimaoptimum«, eine Warmzeit, da Grönland grün (daher ja auch der Name) und die heuer so sprichwörtlich klimatisch unfreundlichen Britischen Inseln so sonnig waren, daß dort allerorten Wein angebaut werden konnte, wovon noch heute viele regionale Eigennamen zeugen. In Norwegen konnte Getreide bis fast zum Polarkreis angebaut werden. Nun könnte es freilich dem einen oder anderen noch nicht ganz vom Fernsehen betäubten Bürger dämmern, daß damals — wir reden vom 9. bis 14. Jahrhundert — die Industrialisierung durchaus noch nicht so fortgeschritten war wie heute, ja, um es genau zu sagen: Daß es damals noch überhaupt keine Industrie gegeben hat. Außerdem könnte noch jemand auf die Idee kommen, daß eine Erderwärmung durchaus nicht schlecht sein muß. Schließlich hat sich damals infolge der durch die Erwärmung verbesserten landwirtschaftlichen Möglichkeiten die Lebenserwartung der Menschen deutlich erhöht. Und wenn sich damals das Klima gänzlich ohne das Zutun des Menschen erwärmt und hernach auch ohne Zutun desselben wieder abgekühlt hat, dann bedeutet das nichts anderes, als daß es für diese Temperaturschwankungen natürliche Ursachen gibt. Und das darf nicht sein, schließlich ist der Klimawandel nur dann ein Milliardengeschäft, wenn der Mensch dafür verantwortlich gemacht werden kann, denn der soll ja schließlich die zusätzlichen Steuern, Gebühren und drastisch höheren Energiepreise bezahlen, die ihm als Ablaß für seine Kohlendioxid-Emissionen auferlegt werden. Wenn es aber vor tausend Jahren — so ganz ohne Automobile, Flugverkehr und all die anderen sogenannten »Klimakiller« — wärmer war als heute, dann bricht das ganze argumentative Kartenhaus der Klimaideologie in sich zusammen. Folgerichtig heißt es in einer der durch »Climategate« bekanntgewordenen e-Mails: »Wir müssen uns die Mittelalterliche Warmzeit vom Hals schaffen«, die folglich in der berüchtigten »Hockeystick-Kurve« auch nicht mehr auftaucht, die medienwirksam geglättet eine konstante Temperaturentwicklung bis zum Anstieg im zwanzigsten Jahrhundert zeigt.
Und schließlich — um hier einmal die inhaltliche Klammer  von Trotzki, Orwell und Klimaideologie zu schließen — macht sich ein einsamer Mitarbeiter des »Wahrheitsministeriums«, das inzwischen realclimate.org heißt, an die Arbeit, das mittelalerliche Klimaoptimum aus der Geschichte zu entfernen. Das Politsatireblog ppq schreibt mit Verweis auf einen Artikel von Lawrence Solomon in der canadischen »National Post«:

»Es ist das beliebteste Lexikon der Welt, der Ort, den jeder aufsucht, wenn es ihn nach Wissen dürstet. Die Realität ist, wie sie Wikipedia beschreibt: Todestage und Geburtsagsfeiern werden nach dem Wiki-Kalender begangen, Nachrichtenagenturen schreiben hier Charakterzüge Prominenter ab, Historiker entnehmen der Datenbank die Darstellung ganzer Revolutionen.

Umso wichtiger ist es, daß alles stimmt, was im großen Online-Lexikon steht, das weiß auch William Connolley, ein englischer Wissenschaftler und Umweltkämpfer, der vor allem die mittelalterliche Warmzeit als Störfaktor betrachtet, wenn es zu belegen gilt, daß es der Mensch mit seiner Industrie geschafft hat, die Welt heute mehr aufzuheizen als jemals zuvor in der Geschichte. Denn wenn es vor tausend Jahren wärmer gewesen wäre als heute, unterminierte das die gesamte Botschaft vom menschengemachten Klimawandel.

Wie Lawrence Solomon auf Nationalpost beschreibt, begann der stille Klimaschützer Connolley deshalb vor sechs Jahren, das Thema Klimaerwärmung auf Wikipedia zu seiner Lebensaufgabe zu machen. Seitdem ist es Connolley nach Solomons Zählung gelungen, 5428 Wikipedia-Artikel zum Thema umzuschreiben, zu löschen oder neu zu erstellen. ›Er begann im Februar 2003, die Kleine Eiszeit auszulöschen, im August folgte die Mittelalterliche Warmzeit, im Oktober widmete er seine Aufmerksamkeit der Hockeystick-Grafik‹, rekapituliert Solomon. Seitdem habe Connolley Artikel zur Klimapolitik und zu Klimaskeptikern umgeschrieben und immer, wenn ihm ein bestehender Beitrag nicht gefallen habe, sei er von ihm gelöscht worden: Mehr als 500 mal traf sein Bann einen Artikel, mehr als 2000 mal sperrte er andere Autoren. ›Auf diese Art‹, schreibt Solomon, ›machte ein Mann aus Wikipedia ein Propagandainstrument der Global-Warming-Bewegung‹.«

Wie sagte doch Bernd Stiegler in »Bilder der Photographie«:

»Das Archiv ist nicht allein der Ort des Bewahrens, sondern auch der Ort des Vergessens, des Vergessenmachens, des Verschwindenlassens.«

 

In einem weiteren Artikel geht Solomon inzwischen darauf ein, wie der »Wikipedia-Hockeyschläger-Krieg« weitergeht: Seit Erscheinen seines ersten Artikels in der National Post, also innerhalb von vier Tagen, sei der Wiki-Eintrag zur Mittelalterlichen Warmzeit über 50 mal in Scharmützeln zwischen Connolley-Anhängern und Vertretern einer ausgewogenen Darstellung der Klimageschichte verändert worden. Da nicht klar ist, wie diese Schlacht ausgeht, hat das letzte Wort also ein anderer:

 

»Noch alle Tage des Erdlands werden Saat und Ernte und Kühle und Wärme und Sommer und Winter und Tag und Nacht nicht aufhören.« (1. M. 8, 22)

 

 

 

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