Sie befinden sich hierAbwehrzauber gestern und heute

Abwehrzauber gestern und heute


By Geier - Posted on 26 März 2012

 

26. März 2012

 

Schutz- bzw. Abwehrzauber, sogenannte »apotropäische Handlungen«, gehören zum Standardrepertoire esoterisch verwirrter Seelen aller Kulturen. Gegenstände, die an dem zu schützenden Gut angebracht werden, sollen dieses vor bösen Einflüssen schützen. Allein das »Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens« nennt auf einem Dutzend Seiten so viele Variationen, daß diese unmöglich alle hier aufgeführt werden können.

Einige seien trotzdem kurz genannt: Ziemlich bekannt sind die oben abgebildeten gekreuzten Pferdeköpfe am Hausgiebel, die in verschiedenen Gegenden Deutschlands vorkommen und auf germanische Wurzeln zurückgehen, ebenso wie die Germanen auch Tierschädel an Giebeln und über Türöffnungen anbrachten, um böse Mächte abzuwehren. An Wikingerschiffen wurden Drachenköpfe angebracht, um sie zu schützen. Der Versuch, Dämonen durch möglichst grausiges Bildwerk abzuschrecken ist seit der Antike überliefert.

Die Katholisierung des Heidentums hat am Aberglauben nichts geändert: Das Bild der Heiligen Leonhard oder Wolfgang, auf einem Blechtäfelchen über der Stalltür angebracht, soll gegen das Einbrechen wilder Tiere schützen. Am Dreikönigstag wird an Haustüren katholischer Haushalte heute noch mit geweihter Kreide C+M+B geschrieben. Hufeisen werden über Stall-und Eingangstüren genagelt, mitunter auch am Kühlergrill von Kraftfahrzeugen angebracht.

In mittelalterlichen scandinavischen Stabkirchen wurden die Türen besonders eng gebaut, um Naturgeister abzuhalten, auch wurden aus dem selben Grunde sogenannte Geisterschwellen, hohe Stufen im Eingang, verbaut. An der Nordseite, die man für besonders gefährdet hielt, fehlen Fenster und Türen vorsichtshalber mitunter gleich ganz. Schnitzereien sollten den Schutz weiter verbessern. Weihwasser und Weihrauch haben dieselbe Aufgabe.

Stahlgeräte in der Wiege sollen Zwerge daran hindern, Kinder auszutauschen, da die Modernität des Werkstoffes Stahl die modernisierungsscheuen Zwerge verschrecken würde.

In Südafrika und Lesotho sollen die Zweige des Faulbaumes als Abwehrzauber gegen Blitzschlag und sonstiges Ungemach dienen. In islamischen Ländern soll die »Hand Fatimas«, ein Amulett, gegen die Dschinn und den Bösen Blick schützen. Die gleiche Funktion sollen dort blaue Glasperlen haben, die in die Pferdemähne geflochten werden.

Und auch Luther, ich war selbst erstaunt, das zu lesen, empfahl in seinen Tischreden als Mittel gegen Milchdiebstahl durch den Teufel, Kot in die Milch zu rühren.

In den Ardennen meint man, sich als Wanderer der Verfolgung durch Dämonen erwehren zu können, indem man Zettel zerreißt und auf den Weg wirft; die Dämonen würden durch das Aufsammeln der Zettel so abgelenkt und beschäftigt, daß sie den Wanderer vergäßen. Und in Kiel glaubt man, durch das Aufhängen von Blechschildchen an Hauseingängen Neonazis aus der Stadt fernhalten zu können. Viertausend Euro hat die hoffnungslos überschuldete Stadt für fünfhundert bunte Amulette mit der Aufschrift »Kein Ort für Neonazis« ausgegeben. Zwar ist bisher nicht explicit überliefert, ob sich schon Nazis angesichts der Schilder totgelacht hätten, aber obwohl davon seit Anfang des Monats erst 150 Stück montiert sind, scheint der Kieler Abwehrzauber schon so erfolgreich zu sein, daß die Fraktion der Grünen im Stadtrat der ebenfalls schwer verschuldeten Stadt Leipzig die Anschaffung ebensolcher Medaillons verlangt. Das ist insofern folgerichtig, als Grüne auch zur primären Zielgruppe für Demeter-Produkte gehören, das sind Lebensmittel, für deren Anbau bei Mondschein Kuhhörner im Acker zu vergraben sind. Ein größeres Schutzzauber-Kompetenz-Cluster wird man also schwerlich in einer anderen deutschen Partei finden. Die beantragten Schilder sollen nun nicht nur gegen leibhaftige Nazis, sondern sogar gegen deren Gedankengut wirksam sein. Es gibt also offensichtlich doch einigen Fortschritt in der Hochtechnologie des Schutz- und Abwehrzaubers. Grundsätzlich aber, wie schon geschrieben steht: Nichts Neues unter der Sonne, mal wieder.

Sollten sich die Amulette auch in Leipzig wie vorgesehen bewähren, planen die Grünen als nächstes Schilder gegen Pest und Cholera, Grippe, Hühneraugen, Geldmangel, Arbeitslosigkeit, schlechtes Wetter, Übergewicht und Zugverspätungen.

 



Photos: © Geier

 

 

Rückblick 1. Lesertreffen

Beliebte Inhalte



CAPTCHA
Diese Frage hat den Zweck, zu testen, ob man ein menschlicher Benutzer ist und um automatisiertem Spam vorzubeugen.
Bild-CAPTCHA
Bitte die im Bild dargestellten Buchstaben (ohne Leerzeichen) eingeben.

Geierpost buchen

Inhalt abgleichen