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Deborah und Pilatus


By Geier - Posted on 27 Februar 2012

27. Februar 2012

Deborah wird in der heutigen Mainstream-Theologie häufig als Vorbild für geistliche Frauen bezeichnet, und wir wollen kurz der Frage nachspüren, ob sie dies wirklich sein kann.
Typischerweise wird argumentiert, daß es damals einen Mangel an Männern gegeben habe, die bereit gewesen wären, die Verantwortung für das Volk zu tragen, weswegen Gott dann Deborah berufen habe. Analog dazu wird heute ein ähnlicher Zustand diagnostiziert, weswegen Gott eben auch heute Frauen in Verantwortungen berufen müsse, von denen wir eigentlich aus der Schrift genau wissen, daß er sie Männern vorbehalten hat. Es wird also ein »überbiblischer Notstand« konstruiert, eine ganz besondere Notsituation, in der nicht mehr gelte, was geschrieben steht: Die starken Frauen müßten nun den Mangel der schwachen Männer ausgleichen.
Aber taugt Deborah wirklich als Vorbild dafür, daß im Neuen Bund Männer von Frauen belehrt, korrigiert, beurteilt und geleitet werden sollten?

Zur Stützung dieser These wird Richter 5, 7 angeführt, wie hier von Schlachter übersetzt:
»Es fehlten Führer in Israel, sie fehlten, bis ich, Deborah, aufstand.«

Hierzu ist zunächst anzumerken, daß im Grundtext da gar nichts steht von »fehlenden Führern«. Stattdessen lesen wir dort von »gemiedenen Dörfern« bzw. ruhigen oder verlassenen Landschaften. Es fehlte auch gar nicht an Führern: In Rc. 5, 2 und 9 wird auf diese Führer ja von Deborah und Barak selbst Bezug genommen.
Zum zweiten scheitert die These, daß Deborah von Gott berufen worden wäre, weil Führer gefehlt hätten, auch daran, daß die Schrift uns nicht eine Berufung Deborahs, sondern stattdessen einen ganz anderen Grund nennt, warum Deborah richtete: In Rc. 4, 1ff lesen wir, daß die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen Jahwes und daß Jahweh sie deshalb in die Hand Jabins, des Königs der Kanaaniter verkaufte, der Israel zwanzig Jahre mit Gewalt bedrückte und daß Deborah Israel in dieser Zeit richtete.
Daß Deborah später zusammen mit Barak erfolgreich Krieg gegen Jabin führte, ändert nichts daran: Beides, sowohl die Herrschaft Jabins als auch das Richten Deborahs, waren Bestandteile des Gerichts Jahwehs wegen des Ungehorsams Israels. Dies entspricht exakt dem Muster von Jes. 3, 12, wo es als Teil des Gerichtes Gottes beschrieben wird, wenn Weiber über das Volk Gottes herrschen.

Worin bestand also ihre Legitimation, wenn nicht in einer Berufung durch Jahweh? »Die Kinder Israel gingen zu ihr hinauf«, das heißt, sie war wohl so etwas wie eine »Königin der Herzen«; nicht Jahweh hatte sie eingesetzt, sondern — quasi demokratisch — das Volk, und während reguläre Älteste in den Toren der Städte saßen, hielt Deborah auf einer Anhöhe unter der »Deborah-Palme« Gericht. Ist dies nur ein harmloses Detail? Sicher nicht, wenn man weiß, daß das Aufsuchen von Bäumen auf Höhen in der Bibel immer eine Chiffre für Abwege des Volkes ist. Der nach Deborah benannte Baum ist also, um das mindeste zu sagen, ein Indiz für geistlich ungesunde Menschenverehrung, was auch das Textumfeld bestätigt.
Barak meint schließlich, daß er wegen ihrer offensichtlichen Popularität nicht auf ihre Anwesenheit verzichten könne, um für den Feldzug gegen Jabin das Volk hinter sich zu bringen. Gern zieht sie mit ihm, nicht ohne ihn vorher darauf hinzuweisen, daß der Ruhm des Sieges dann aber nicht ihm, sondern einem Weib zufallen würde. Hatte Deborah ein übermäßig ausgeprägtes Selbstbewußtsein? Spekulierte sie, die auf einem Berg unter einer Palme saß, welche ihren Namen trug, und das Volk zu sich hinaufsteigen ließ, auf den Ruhm des kommenden Sieges? Und ist es Gottes Sinn für Ironie, daß er zwar dieses Wort zunächst buchstäblich erfüllte, jedoch das Weib, das den Ruhm erntete, dann nicht Deborah, sondern Jael hieß? Diese Jael nämlich erschlug schließlich den Feldherrn Jabins, der in ihrem Zelt Zuflucht gesucht hatte. Immerhin: In der Galerie der Glaubenshelden (Hebr. 11) taucht denn doch Barak auf, nicht Deborah.

Natürlich sehen wir andererseits auch, daß Jahweh Deborah bestätigt hat. Diese scheinbare Widersprüchlichkeit läßt sich vielleicht am besten mit einem Verweis auf Shaul erklären: Dieser war einerseits ein gesalbter Gottes, andererseits hat Gott unzweifelhaft durch ihn Gericht am Volk geübt (1. Sam. 8), welches mit der Erwählung des Königtums die Regentschaft Jahwehs verworfen hatte.

Aus der Geschichte Deborahs nun ableiten zu wollen, daß man in der Herausgerufenen[G] Frauen erlauben solle zu lehren und zu leiten, ist jedenfalls beinahe so abenteuerlich, als wolle man Verse wie »Judas ging hin und erhängte sich« als Handlungsanweisung auffassen.
Grundsätzlich bleibt wegen der Umkehrung der Schöpfungsordnung ein Weib, das über Männer richtet, nicht weniger obszön als ein Mann, der über den Christos richtet (1. Kor. 11, 3). Deborah ist insofern ein unfreiwilliges Vor-Bild auf Pilatus hin, der über Jesus zu Gericht gesessen hat. Auch hierin zeigt sich der Gerichtscharakter der Tatsache, daß Deborah diese Stellung innehatte: Nur wegen der Verfehlung Israels wurden die Männer von einem Weib gerichtet. Und daß der Christos in glatter Umkehrung der Hierarchie von einem Mann gerichtet wurde, der selbst von ihm gerichtet werden wird, ist ebenfalls Teil des Gerichts, das an Jesus stellvertretend für uns vollzogen wurde.

Das abschließende Urteil über die Richterzeit spricht Jahweh am Ende dieses Buches (Rc. 21, 25): Es war eine Zeit, in der »in Israel jeder tat, was recht war in seinen eigenen Augen«, eine Zeit der Selbstgerechtigkeit und Ichhaftigkeit also, und trotzdem Jahweh immer wieder den Schaden begrenzt hat: Unter dieses allgemeine Urteil fällt auch die Richterschaft Deborahs. Auch wenn es heute wieder eine Zeit zu sein scheint, wo »jeder tut, was in seinen eigenen Augen recht ist« — ein Vorbild, das uns zur Nachahmung ans Herz gelegt wird, ist das ganz bestimmt nicht.

 

 

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